Scholz gibt in Interview den Reumütigen und entlarvt sich dabei selbst

Seine Politik sei richtig, sagt der Kanzler zu seiner Verteidigung. Dahinter verbirgt sich ein großes Missverständnis: Das Volk hadert nicht wegen Stilfragen. Sondern wegen der Inhalte, für die Scholz steht. 

Wenn es alles so gut läuft, wie der Bundeskanzler behauptet, weshalb sind dann so viele Menschen so sauer auf ihn und seine Bundesregierung? Olaf Scholz hat in einem aktuellen Interview mit der „Zeit“ eine  Antwort darauf, sie ist entwaffnend, und erschreckend entlarvend zugleich: „Weil sie sich nicht sicher sind, ob das alles gut ausgeht für sie – ob wir das alles hinkriegen mit der wohl größten industriellen Modernisierung seit mehr als 100 Jahren.“ Und dann fällt dieser eine Satz, der die Frage aufwirft, was das überhaupt ist – Regieren in unübersichtlichen Zeiten.  

Er lautet: „Das ist eine Reise, deren Ende noch nicht abzusehen ist.“  An anderer Stelle variiert es Scholz: „Ob wir das meiste richtig entschieden haben, werden wir erst in einigen Jahren entscheiden können“.

Wirkung der Maßnahmen ist nicht absehbar

Wenn aber der Klima-Umbau der deutschen Industrie, von der Deutschlands Wohlstand abhängig ist, im Kern einer Wette gleichkommt, die Scholz selbst einmal „grünes Wirtschaftswunder“ genannt hat – macht es dann Sinn, diese große Transformation von deren Ende her zu definieren? Um dann eine Reihe von rigorosen Maßnahmen zu beschließen, deren Wirkung kaum zu übersehen ist? 

Die Umstellung auf Elektroautos läuft langsamer, als die Regierung will. So ist es auch beim Umbau der Bahn. Und der Sanierung der Autobahnen. Gerade lernen wir, dass die nötigen Investitionen in die Stromnetze drastisch höher ausfallen als geplant. 

Energiewende ist eine Wette

Da nehmen sich jene 6,3 Milliarden, die Verkehrsminister Volker Wissing für eine Million geplanter Ladestationen bis 2030 ausgeben will, geradezu bescheiden aus. In die Energiewende sind bisher Subventionen von 300 Milliarden Euro geflossen, man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass es in den kommenden Jahren leicht noch einmal 300 Milliarden Euro werden. 

Ob die Zukunft des Stahls in Deutschland wirklich grün ist, ist gleichfalls eine Wette. Sie basiert auf Annahmen und mündet in Projektionen – weit weg von Gewissheiten. Experten streiten sich schon seit geraumer Zeit, ob Stahlproduktion in Deutschland überhaupt noch eine Zukunft hat. 

Zuletzt sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, Sozialdemokraten würden immer für Stahlwerke kämpfen. Die Kämpfe der letzten Jahrzehnte waren allerdings allesamt Rückzugsgefechte, weil Werke dicht gemacht wurden. Weil deutscher Stahl auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig war. Im Grunde stellt sich die Frage, ob mit teuren Subventionen ein absehbares Ende nicht nur herausgezögert wird – so wie es in den vergangenen Jahren immer war. Ob man mit sehr viel Geld zu retten versucht, was nicht zu retten ist. 

Scholz könnte von Schmidt lernen – er räumt nur in einem Punkt Fehler ein

Von hier aus zurück zum policy making. Vom britischen Philosophen Karl Popper, an dem sich etwa Helmut Schmidt orientierte, kann man lernen, weshalb es sinnvoll ist, Politik nicht allzu groß, als „Grand design“ anzulegen, sondern Schritt für Schritt vorzugehen – und dabei sogar noch selbst zu versuchen, jeden dieser Schritte kritisch zu hinterfragen, genauer: anzunehmen, dieser Schritt sei falsch. Damit der nächste kleine Schritt trittsicherer ausfällt. 

Von dieser Art der Fehler-Reduzierung ist diese selbstgewisse Bundesregierung mit ihrem selbstgewissen Kanzler allerdings weit entfernt. Sie glauben, sie haben den richtigen Plan und sie glauben, sie machen es auch richtig. Die Wut der Bürger führen sie zurück auf: Kommunikationsfehler und internen Streit. So macht es auch der Regierungschef in dem Interview mit der „Zeit”. Nur hier zeigt Scholz Reue und räumt Fehler ein. Was aber, wenn Wut und Empörung daher kommen, dass eine Mehrheit der Bürger nicht den Stil von Scholz für falsch hält, sondern die Inhalte, die er vertritt?  

Dazu einige Beispiele: Scholz sagt, neue Atomkraftwerke seien zu teuer, 13 bis 15 Milliarden pro Einheit. Aber hat Scholz einmal ausrechnen lassen, was teurer ist – Kernkraftwerke oder diese spezifische deutsche Energiewende? Was wir sehen, ist dass deren Kosten immer mehr aus dem Ruder laufen. Was wir auch sehen, ist: Immer mehr Firmen machen dicht – wegen der Energiepreise, die in Deutschland – aufgrund politischer Entscheidungen – einmalig hoch sind.

Illusion von Deutschland als Vorbild

Was wir dann sehen, ist: Andere Länder um uns herum – es werden immer mehr – machen es anders als wir. Sie setzen auf Atomkraft, was nur heißt: die Behauptung, zuerst der Grünen, hernach der Ampelregierung, Deutschland spiele bei der großen Transformation zu einer dekarbonisierten Wirtschaft eine Vorbild-Rolle, entpuppt sich mehr und mehr als Illusion. 

Der Bundeskanzler sagt, das Uran reiche nur noch für 50 bis 70 Jahre. Er nutzt das als Argument gegen die Kernkraft. Ist es aber nicht genau das Gegenteil – ein Argument für die Kernkraft? Weil sie für 50 bis 70 Jahre einen CO-2-freien Übergang zur Regenerativen Energiewelt ermöglicht. Und wer kann schon wissen, woher in einem halben Jahrhundert die Energie kommt? 

Die Energiewende folgt einer holistischen Philosophie und ob es am Ende klappt oder wann es funktioniert, das wissen wir nicht. Der Bundeskanzler hat es gerade zugegeben – “eine Reise, deren Ende nicht abzusehen ist“. Andere Staaten machen auch Energiewenden, nur sind sie: viel vorsichtiger als Deutschland. Ihre Wetten fallen kleiner aus. China setzt auf die Regenerativen – und auf neue Kohlekraftwerke. Deren CO-2-Ausstoß können alle deutschen Anstrengungen zusammen genommen nicht einmal ansatzweise kompensieren. 

Scholz verlässt sich auf die USA

Die „Zeit” fragt den Kanzler, was er vom Vorschlag des grünen Ex-Außenministers Joschka Fischer hält, Europa mit eigenen Atomwaffen auszustaffieren – angesichts der doppelten Sicherheitsbedrohung durch Putin und Trump. Scholz sagt einfach, er verlasse sich auf die USA. Er könnte, angesichts unmissverständlicher Äußerungen des denkbaren nächsten US-Präsidenten Trump schnell zu den Verlassenen gehören. 

Inzwischen hat Scholz selbst klargemacht, dass es ohne Atomwaffen-Schutz für Deutschland gefährlich wird: Er will mit den Briten bei den Mittelstreckenraketen einen Ringtausch veranstalten, um nicht selbst die Taurus-Raketen liefern zu müssen. Die Briten aber sind eine Atommacht – hinter der sich Scholz damit versteckt. 

Scholz sagt, das Bürgergeld sei “insgesamt gut austariert“. Renate Köcher vom Institut für Demoskopie in Allensbach hat dagegen dies ermittelt: „Eine deutliche Mehrheit glaubt, dass die Leistungsbereitschaft in Deutschland sinkt. Die Schuld daran sehen viele bei den zu hohen Sozialleistungen. Vor allem in Mittel- und Unterschicht glauben viele nicht mehr, dass Arbeit lohnt.“  Die Hälfte der Stütze-Bezieher hat nie ins System eingezahlt. Was am Bürgergeld genau sollte sozialdemokratisch sein?

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